Alles anzeigenAnlässlich der Halbjahres-Pressekonferenz des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) Anfang Juli in Berlin äußerte sich VDA-Präsident Bernhard Mattes ausführlich zu Innovations- und Zukunftsthemen, da sich „die gesamte Automobilindustrie in einem enormen Transformationsprozess“ befinde, heißt es im Statement des Verbandes.
Der Wandel umfasse drei große Bereiche: Klimaschutz, Elektromobilität und alternative Antriebe. Digitalisierung, Vernetzung und automatisiertes Fahren. Globalisierung, Handel und zunehmenden Protektionismus.
Deutsche Automobilindustrie entschlossen, zum Klimaschutz beizutragen
Die deutsche Automobilindustrie sei entschlossen, zum Erreichen der Klimaschutzziele beizutragen, so Mattes. Dafür arbeiten Hersteller und Zulieferer an vielen neuen Produkten und Dienstleistungen, um für alle Mobilitäts- und Transportwünsche überzeugende Lösungen anbieten zu können. Richtig sei aber auch, dass alternative Antriebe nur dann ihre volle CO2-Wirkung entfalten, wenn sie auf Basis regenerativer Energien verwendet werden. Mobilitätswende und Energiewende seien zwei Seiten einer Medaille.
Das Ziel der deutschen Autoindustrie sei es, auch künftig auf den Weltmärkten vorn mitzuspielen. Nur könne auch die Beschäftigung am Standort Deutschland gesichert werden. Damit das gelingt, „müssen wir die Herausforderungen entschlossen anpacken“, sagt Mattes. Genau das mache die deutsche Automobilindustrie auch: „Unsere Unternehmen – Hersteller wie Zulieferer – investieren massiv in alternative Antriebe, allen voran in Elektromobilität. Die neuen Modelle stoßen immer weniger CO2 aus. Darüber hinaus streben wir im gesamten Wertschöpfungsprozess CO2-Neutralität an – von der Entwicklung über Produktion und Vertrieb bis zur Nutzung und Verwertung des Fahrzeugs.“ Wichtig dafür seien aber auch die passenden politischen Rahmenbedingungen, Mobilität der Zukunft sei „keine Einbahnstraße“.
Elektromobilität notwendig fürs Erreichen der CO2-Ziele
Im Fokus der Transformation stehe in den kommenden Jahren die Elektromobilität, rein batterieelektrisch und als Plug-In-Hybrid. Um die sehr ehrgeizigen CO2-Flottengrenzwerte der EU für 2030 zu erreichen, sei die schnelle Marktdurchdringung von E-Fahrzeugen notwendig. Fakt sei, dass diese Flottengrenzwerte erstmals implizit auch eine Technologievorgabe enthalten, mit der die Ziele erreicht werden können, meint Mattes.
Minus 37,5 Prozent CO2 heiße, dass im Jahr 2030 in Deutschland sieben bis zehneinhalb Millionen Elektroautos im Bestand auf der Straße sein müssen, rechnet der VDA-Präsident vor. Das sei nur bei hoher Kundenakzeptanz und optimalen Rahmenbedingungen möglich – und alles andere als ein Selbstläufer.
Dafür gehe die deutsche Automobilindustrie enorm in Vorleistung: In Forschung und Entwicklung alternativer Antriebe investieren Hersteller und Zulieferer allein in den kommenden drei Jahren gut 40 Milliarden Euro. Das münde in eine „eindrucksvolle Modelloffensive“: Deutsche Hersteller werden bis 2023 ihr Modellangebot auf über 150 E-Modelle verfünffachen, so Mattes. Weltweit komme jedes dritte Patent im Bereich Elektromobilität und Hybridantrieb aus Deutschland. Das zeige, dass die deutsche Automobilindustrie aus einer starken Position heraus agiere und sich bei der Elektromobilität „richtig ins Zeug“ lege. Das gelte für Hersteller und Zulieferer zugleich, hebt der VDA-Präsident hervor.
„Elektromobilität muss für die Bürger sichtbar sein“
Die Transformation umfasse aber nicht nur die Produkte, sondern auch die Produktion, die Services und die gesamte Wertschöpfungskette. Entsprechende Anstrengungen seien auch bei dem Aufbau der Infrastruktur notwendig, für den die Automobilindustrie nicht im Alleingang verantwortlich sein dürfe. Es gehe nämlich nicht nur um eine neue Antriebsart, sondern auch um einen politisch-gesellschaftlich getriebenen Systemwechsel.
Zentraler Punkt sei es, die Ladeinfrastruktur im öffentlichen und privaten Raum rasch, nachhaltig und flächendeckend auszubauen. „Heute haben wir 17.400 öffentliche Ladepunkte. Notwendig sind bis zum Jahr 2030 eine Million öffentliche Ladepunkte, zusätzlich 100.000 Schnellladepunkte sowie mehrere Millionen private Ladepunkte. Nur so schaffen wir hohe Kundenakzeptanz. Elektromobilität muss für die Bürger sichtbar sein“, so Mattes.
Positiv sei, dass jetzt für die öffentliche und private Ladeinfrastruktur insgesamt eine Milliarde Euro zusätzlich bereitgestellt werden sollen. Diese Initiative des Bundesverkehrsministers sei ein wichtiger Schritt. Auch die Kommunen müssen das Thema intensiv treiben, fordert Mattes, da sie am besten wissen, wo die Nachfrage nach Ladestrom am höchsten ist, wie viel Platz notwendig ist, wie Einzelhandel und Parkhaus-Betreiber angesprochen werden können. „Jede Kommune sollte sich spezifische Ziele für den Aufbau der Ladeinfrastruktur setzen, Bund und Länder müssen dabei unterstützend wirken“, fordert der VDA-Präsident.
Entscheidend sei „koordiniertes Vorgehen auf allen Ebenen“. Hemmnisse müssen schnell abgebaut werden. Dazu gehören das Miet- und Wohneigentumsrecht sowie der Abbau von Hürden, auch im Energiewirtschaftsrecht. Gemeinsam mit Politik und Gewerkschaften habe der VDA vereinbart, all diese Punkte in einem Masterplan zusammenzufassen. Dies werde zeitnah erarbeitet und umgesetzt.
Die Förderung von Investitionen in Fahrzeuge mit alternativen Antrieben müsse verstetigt werden. Die in der Bundesregierung diskutierten Vorschläge seien ein positives Signal und sollten schnell umgesetzt werden. Dazu gehöre auch die Verlängerung des Umweltbonus.
Andere Optionen ebenfalls gefragt
Der Schwerpunkt liege zwar auf der Elektromobilität, doch der VDA wolle nicht alle anderen Optionen „zurück ins Regal“ stellen. „Wir arbeiten weiter an alternativen Antrieben und Kraftstoffen. Dazu gehören klimaneutrale E-Fuels, CNG und Wasserstoff, um nur einige zu nennen. Denken Sie an die schweren Nutzfahrzeuge, die bis 2030 ein CO2-Reduktionsziel von 30 Prozent stemmen müssen“. Insbesondere für diese könne nicht alles auf die batterie-elektrische Karte gesetzt werden – hier seien mittelfristig klimaneutrale E-Fuels und Wasserstoff notwendig. „Unsere Unternehmen treiben Forschung und Entwicklung aktiv voran. Doch damit diese Technologien im Markt ankommen, müssen politische Weichen gestellt werden“, so Mattes.
Digitalisierung, Vernetzung und automatisiertes Fahren als Innovationstreiber
Der zweite große Innovationstreiber sei die Digitalisierung. Das Ziel des VDA sei „Vision Zero“ – mehr Sicherheit, Effizienz, Nachhaltigkeit und Komfort. Digitalisierung und Vernetzung werden entscheidend dazu beitragen, sagt der Präsident der Verbandes. Die Hersteller und Zulieferer gehen das vernetzte und automatisierte Fahren engagiert an: Die deutsche Automobilindustrie halte knapp die Hälfte der weltweiten Patente in diesem Bereich.
Mattes führt einige positive Beispiele auf: Durch Stauassistenten wird der Fahrer entlastet. Die digitale Routenplanung über das Navi spart Zeit. Sprachassistenten machen das Autofahren sicherer und komfortabler. Mit Park-Apps wird der Parksuchverkehr weitgehend obsolet.
Um die Vernetzung von Fahrzeugen untereinander und mit der Infrastruktur schnell umzusetzen, müssen die infrastrukturellen Rahmenbedingungen verbindlich geplant und festgelegt werden, fordert der VDA. „Neben der Vernetzung brauchen wir ein besseres Verkehrsmanagement und die rechtlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen für modernste Verkehrsdienstleistungen.“ Dazu gehöre zum Beispiel eine flächendeckende, dynamische Mobilfunkversorgung, welche die Hauptverkehrswege und urbanen Räume mit 5G abdecken müsse. Auch die rechtlichen Voraussetzungen für höhere Automatisierungsstufen müssten zügig geschaffen werden. Es müsse gewährleistet sein, dass die Infrastruktur mit den Fahrzeugen kommunizieren kann, damit Ampeln und Fahrzeuge „miteinander sprechen“ können. Auch die KI-Kompetenz müsse weiter gestärkt werden. Sie sei Grundlage für innovative Produkte, Dienstleistungen und Produktionsverfahren.
Zudem sei eine Reform des Personenbeförderungsgesetzes notwendig. Die bisherige Fassung ist etliche Jahre alt und passe nicht für digitale Dienste, wie etwa Ridesharing oder Ridehailing. „Vorteil der Reform: Der Verkehr in Städten wird entlastet, Nahverkehr auf dem Land verbessert“, sagt Mattes.
Freihandel und Globalisierung gegen zunehmenden Protektionismus verteidigen
Das dritte, sehr wichtige Thema im VDA sei, dass der freie Handel weltweit immer stärker unter Druck gerate. Die aktive Gestaltung der Globalisierung sei für die deutsche Automobilindustrie ein entscheidender Faktor. Drei von vier Pkw, die in Deutschland vom Band laufen, gehen in den Export, die meisten nach Großbritannien und in die USA. Deutsche Hersteller seien auch stark mit eigener Produktion in wichtigen Märkten vertreten. So beschäftigten deutsche Unternehmen mehr als 120.000 Mitarbeiter in ihren US-Werken, davon mehr als 80.000 bei deutschen Zulieferern.
Der weltweite freie Handel müsse trotz aller aktuellen Gegenbewegungen gestärkt werden. Es brauche moderne Freihandelsabkommen sowie den Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse. Das Freihandelsabkommen der EU mit Mercosur, dem regionalen Zusammenschluss der vier südamerikanischen Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, sei ein hoffnungsvolles Signal. Damit werde für alle deutlich, dass Abbau von Handelshemmnissen und freier Handel für wesentliche Regionen der Welt von sehr hoher Bedeutung seien. Im Mercosur leben mehr als 260 Millionen Menschen, 2018 wurden dort 3,2 Millionen Light Vehicles verkauft. Allein in Brasilien seien deutsche Hersteller und Zulieferer mit mehr als 120 Produktionsstandorten vertreten, hinzu kommen gut 20 Standorte in Argentinien. Auch das Freihandelsabkommen der EU mit Vietnam sei positiv zu werten.
„Handelskonflikte richten massiven Schaden an, bei allen Beteiligten“, sagt Mattes. Andererseits würden erste Signale einer Entspannung – wie jetzt der Händedruck zwischen US-Präsident Trump und Chinas Staatspräsident Xi Jinping – auch von den Finanzmärkten rasch aufgenommen. Der VDA hofft, „dass die Wiederaufnahme der Gespräche zu konstruktiven Ergebnissen führt“ und setze weiterhin auf den Abbau von Zöllen in gegenseitigem Interesse, so Mattes.
Quellen: VDA – Pressemitteilung vom 02.07.2019
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