Alles anzeigenEr sieht die Krise als Chance: Dirk Messner, der Präsident des Umweltbundesamts (UBA), sprach in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung darüber, wie Corona die Gesellschaft widerstandsfähiger machen und auch die Umweltpolitik verändern kann. Entscheidend sei es, die ins Wanken geratenen wirtschaftlichen Strukturen grundlegend umzubauen. Denn „wenn wir die Wirtschaft wieder zum Laufen bringen, ohne die Strukturen zu ändern, werden die Emissionen alle wieder da sein.“
Krisen können „Knotenpunkte von Entwicklungen“ sein, sagt Messner über die Zeit nach Corona. „Da werden Dinge möglich, die man sich vorher nicht hätte vorstellen können, zum Guten wie zum Schlechten.“ Die Gesellschaft müsse ausloten, „welche Lösungen wir haben, die in eine nachhaltige Zukunft führen“, obwohl momentan noch Corona den Diskurs bestimmt. Wir haben allerdings noch eine andere Krise, „über die wir sehr gut Bescheid wissen, nämlich die Klimakrise“, so der UBA-Chef. Es dürfe „uns nicht passieren, dass jetzt eine unerwartete Krise wie Corona kommt — und wir über deren Bekämpfung die bereits anlaufende, noch gravierendere Krise vergessen“.
Es sei zwar „richtig und wichtig“, dass die Bundesregierung „sehr viel Geld“ in die Hand nehme, um ihren Bürgern finanziell durch die Corona-Krise zu helfen, „für Liquidität, Kurzarbeitergeld, direkte Hilfen“. Mit den ebenfalls vorgesehenen Investitionen in die Wirtschaftsstruktur sollte Deutschland aber „solche Investitionen nach vorne schieben, bei denen wir sowohl die Folgen der Corona-Krise bekämpfen als auch den Klimaschutz voranbringen.“
Messner nennt drei konkrete Beispiele: „Wir brauchen eine Elektrifizierung des Verkehrs, um ihn klimafreundlicher zu machen“, auch bei Gebäuden seien „Langfrist-Investitionen in die Sanierung nötig“. Und drittens brauche es „grünen Wasserstoff, um Dekarbonisierung in energieintensiven Industrien zu ermöglichen. In allen drei Bereichen würden neue Jobs, wirtschaftliche Entwicklung einhergehen mit Klimaschutz“, so der UBA-Präsident.
Europa soll die Krise nutzen „zur Strukturveränderung in Richtung Klimaschutz und Nachhaltigkeit“
Ansonsten bestehe die Gefahr, dass Corona die Welt beim Klimaschutz um Jahre zurückwirft: „Falls wir in dieser Phase zwei, drei, vier Jahre verlieren, weil Staaten in alte Strukturen investieren, ist das Zwei-Grad-Ziel im Grunde nicht mehr zu schaffen“, gibt Messner zu Bedenken. Er schlägt vor, dass etwa die EU „die Corona-Bekämpfung verknüpft mit einer möglichst weitreichenden Umsetzung ihres Green Deals“. Dies könne ein wichtiges Signal an die gesamte Weltwirtschaft sein: „Europa nutzt die Krise zur Strukturveränderung in Richtung Klimaschutz und Nachhaltigkeit“.
Es werde „in den nächsten Monaten auch um die Deutungshoheit über die Zukunft gehen“, sagt Messner. Schließlich hätten „alle doch das Gefühl, irgendwas läuft schief, wir stolpern von Krise zu Krise“, wobei Messner auf 9/11 und Terror, die Sars-Krise in Asien, die Finanzmarktkrise, die Ebola-Epidemie in Afrika und Wanderungsbewegungen nach Europa verweist. Was die Gesellschaft aber jetzt brauche, sei „Orientierung, Wege in eine bessere Zukunft. Und die können und müssen wir beschreiben.“
„Vielleicht“, so Messner, „hilft uns die Corona-Krise dabei, kulturelle Innovationen zu ermöglichen: Lebensstile, die Wohlbefinden mit den Grenzen der Ökosysteme in Einklang bringen.“ Es bestehe durchaus die Chance, dass Gesellschaften in der Krise widerstandsfähiger werden: „Wir lernen wieder, wie wichtig öffentliche Institutionen sind. Wir lernen den Rat der Wissenschaft neu zu schätzen, wir üben uns in Solidarität. Und wir sollten erkennen, dass globale Kooperation immer wichtiger wird, im Zeitalter globaler Vernetzungen“, sagt der UBA-Chef. „Man könnte auch sagen: Wir rütteln gerade unsere Gesellschaften zurecht und sehen, was uns widerstandsfähiger macht.“
Quelle: Süddeutsche Zeitung— Wie die Corona-Krise die Umweltpolitik verändert
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